"Wohlstand"

Posted on 31.05.2025

Die Jetsons sind eine Zeichentrickserie von 1962, die im Jahr 2062 spielt. Science Fiction also.

Wie wurde darin die gesellschaftliche Entwicklung fortgeschrieben? Natürlich gab es fliegende Autos. Und Städte über den Wolken. Und humanoide Haushaltsroboter mit einem begrenzten Umfang an Emotionen.

Und es gab die 9-Stunden-Woche. Ein einzelner Arbeitnehmer konnte mit 3 Arbeitstagen zu je 3 Stunden in der Woche eine Familie ernähren, mit Frau daheim, zwei Kindern, Haustier, besagtem fliegenden Auto und Haushaltroboter in einem komfortablen Haus, so typischer suburbaner Friede-Freude-Eierkuchen (für manche vielleicht auch die Hölle, wer weiß). Kleinbürgerlicher Wohlstand.

Es war 1962 also eine nicht ganz abstruse Vision für “in 100 Jahren”, dass eine Familie von 9 Arbeitsstunden in der Woche ein recht angenehmes Leben führen kann. Vor dem Hintergrund von Arbeitszeitverkürzung und technisch bedingten Produktivitätsgewinnen, die zu der Zeit sehr sichtbar wurden, sicherlich nicht zu abwegig.

Wir haben jetzt mehr als die Hälfte der Zeit zwischen Erstausstrahlung und Handlungszeit hinter uns. Frauen arbeiten nun in deutlich größerem Umfang (für die Macher der Sendung entweder undenkbar oder gesellschaftlich zu heikel, um es nennenswert zu thematisieren - im Gegensatz zu fliegenden Autos oder der 9-Stunden-Woche) und tragen so, ganz gleichberechtigt, ihren Anteil zum “Wohlstand” bei. Die Regelarbeitszeit einer Familie wie in der Serie dargestellt, ist heute also 80 Stunden pro Woche.

Miosga hatte gerade eine Sendung mit dem CDU-Generalsekretär unter dem Titel “Müssen wir für unseren Wohlstand mehr arbeiten, Herr Linnemann?”, in Reaktion auf entsprechende konservative Forderungen - laut Untertiteln kam der Begriff “Wohlstand” während der Sendung genau zweimal vor (davon einmal bei der Nennung des Titels).

Es wurde viel herumdiskutiert, inwieweit Teilzeit die Statistik, auf der die Sendung aufgebaut wurde, verzerrt. Aber jenseits von “manche Jobs sind so körperlich belastend, da geht halt nicht mehr” war “mehr Arbeiten = Mehr Wohlstand” eigentlich Konsens.

Wo sind die Visionen geblieben? Selbst wenn wir “eine 9-Stunden-Woche versorgt eine Familie” für eine nicht-machbare Utopie halten, wie wäre es, anzustreben, dass eine Familie gut davon leben kann, wenn zwei Eltern je 3x3 Stunden die Woche arbeiten?

Das wäre Wohlstand.