Eingabe an die Rundfunkkommission

Posted on 05.10.2024

Zur Zeit gibt es große Aufregung um die geplante Neuorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im Fokus der Aufregung im Fediverse steht vor allem, dass 3sat geschlossen werden solle.

Nach aktuellem Stand heißt es “nur”, dass die Möglichkeit geschaffen werden soll, 3sat in Arte aufgehen zu lassen, wenn die internationalen Partner das wollen - was für mich nicht nach der schlechtesten Idee klingt, sofern es gut gemacht wird.

Nun gibt es noch einige Tage lang die Möglichkeit, sich aus der Öffentlichkeit zum aktuellen Entwurf zu äußern, und das habe ich gerade macht. Das bringt vermutlich mehr als irgendwelche Petitionen. Meine Eingabe veröffentliche auch hier, vielleicht motiviert es ja den einen oder anderen, seine eigenen Schwerpunkte in eigenen Worten zu formulieren und der Rundfunkkommission zukommen zu lassen.


Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Reorganisation und Straffung des öffentlichen Rundfunks. Meine Anmerkungen:

  1. Bei der Anlehnung der Gehälter an der Verdienststruktur des öffentlichen Dienstes fehlt eine Beschränkung nach oben. Es wäre hilfreich, die “vergleichbaren öffentlichen Unternehmen” zumindest in Kategorien zu benennen, um so Orientierung zu geben.

  2. Es gibt Produktionen, die komplett außer Haus gegeben werden, bei denen die Preisstruktur nicht nachvollziehbar ist. Wenn eine Produktion (zum Beispiel eine Talkshow) siebenstellige Preise aufruft, sollte insoweit Transparenz eingefordert und die Kosten überprüft werden, als dass die Produktionskosten mit denen einer durch den Sender eigenverantworteten Produktion konkurrieren können müssen. Wenn die Produktion bei marktüblichen Kosten und Gehältern (auch für den Moderator) in Eigenverantwortung deutlich preiswerter durchzuführen wäre, ist dies der externen Lösung vorzuziehen.

  3. Es kann nicht angehen, dass einzelne Sportereignisse (z.B. ein Endspiel der Champions League) mehr kosten als der Betrieb eines ganzen Senders (3sat)

  4. Ebenso kann es nicht angehen, dass rund 60 Mitarbeiter (die Geschäftsführungen der Sender) mehr kosten als der Betrieb eines ganzes Senders (3sat)

  5. Die Zusammenlegung von 3sat und Arte (falls von den internationalen Partnern gewünscht) klingt nach einer charmanten Idee, um Europa zu stärken. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass dabei zusätzliche Kapazität beim verbleibenden Sender entstehen muss, um einen Verdrängungswettbewerb zu vermeiden, bei dem zum Beispiel österreichische Inhalte nur auf Kosten deutscher oder französischer Inhalte platziert werden können. Zum Beispiel könnte ein größeres europäisches Senderprojekt mehrere Kanäle thematisch oder nach Zielgruppen differenziert bespielen.

  6. Talkshows sind die “Scripted Reality” der öffentlich-rechtlichen: mit freiwilligen Protagonisten billig in Masse produziert. Da stellt sich mir die Frage, ob das noch einen Bildungs- oder Unterhaltungsauftrag hat oder einfach nur Füllstoff darstellt. Der Erkenntnisgewinn, der sich daraus ergibt, dass immer dieselben Politiker folgenlos aneinander vorbeireden, ist jedenfalls sehr überschaubar. Wenn auf diese Weise politische Bildung gefördert werden soll, muss das Profil geschärft werden.

  7. Der Diskussionsentwurf spricht verschiedene digitale Ausspielkanäle an, darunter “Apps”. Apps sind eine Sonderform des Computerprogramms, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie praktisch nur über die “Stores” von (Quasi-)Monopolisten der freien Wirtschaft zu beziehen sind. Es würde zum Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine Verfügbarkeit für jeden zu gewährleisten, gut passen darauf hinzuwirken, dass solche Kanäle zwar versorgt werden, aber explizit nicht als bevorzugter Ausspielweg behandelt werden, um diese Monopolstellung nicht auch noch durch Netzwerkeffekte (“wenn du ARD willst, musst du zu Apple oder Google”) zu fördern.

Mit freundlichen Grüßen